Wie alles anfing….
Vom Kinderfasching bei Regenwetter zur 1. Waiblinger Faschingsgesellschaft e.V.
„Es war einmal“ so fängt auch dieses – wahre – Märchen an. Vor über 4 Jahrzehnten.
Aus den Erinnerungen von Hannelore Randow:
Ich stand vor der Karolinger-Schule und schaute den vorbeiziehenden Kindern nach – sie waren einfallsreich, interessant und bildschön kostümiert, die Augen glänzten, sie schienen voller Tatendrang. Aber der Himmel hatte kein Einsehen an diesem Rosenmontag-Nachmittag; Schneeregen fiel und verwandelte die kleinen Prinzessinnen, Seeräuber, Cowboys, Hexen, Hänsel und Gretel in triefend nasse, frierende Trauerklößchen. Nur ein paar Draufgänger knallten in der Innenstadt herum, alle anderen waren verschwunden. Enttäuscht und mit den nassen Kostümen zogen sie auch Ihre Faschingsträume aus.
Rektor Robens war noch da, und ich fragte leise an, ob’s möglich wäre, die unbenutzte Turn- und Festhalle an den Faschingstagen für die Kinder zu öffnen. „Übernehmen Sie die Verantwortung für das Treiben der Kinder dort? Sie müssen beaufsichtigt werden.“ Ich übernahm!
Rektor Robens als Vorsitzender des Städt. Orchesters brachte die Remstalmusikanten und mich zusammen. Wir wurden ein gutes Team! Strahlende Kinder vergnügten sich tags darauf in der guten alten Turnhalle. Bis zu 900 Narren an einem Nachmittag brachten die Halle fast zum Bersten. Die Feuerwehr drückte beide Augen zu und der Hausmeister legte den Schnellgang ein, um nach dem Aschermittwoch die Halle wieder für den Sportunterricht flott zu machen.
Die Musiker des Städt. Orchesters nahmen unbezahlten Urlaub, um den Kindern diese tollen Tage zu ermöglichen. Von da an war der Kinderfasching aus Waiblingen nicht mehr wegzudenken.
Die Begeisterung war groß und die Entwicklung nahm ihren Lauf:
Es entstand ein hochkarätiger Elferrat und nun musste eine eigene „Waiblinger Faschingsgesellschaft“ her.
Ordensritter, auch aus den Reihen des Gemeinderats, Bürgermeister, Bundestagsabgeordnete, Presse; sie alle haben ihre Ordenssteuer entrichtet und so der neu entstandenen 1.WFG die Möglichkeit gegeben als Abteilung des Muttervereins, dem Städt. Orchester, lebensfähig zu werden und zu gedeihen.
Und wir machten im Antoniussaal unsere 1. Prunksitzung. Ein hochkarätiger Elferrat thronte oben, unser OB, Dr. Ulrich Gauß, spendete begeistert Beifall – er hielt uns über all die Jahre die Treue.
Aber was wäre eine Faschingsgesellschaft ohne Garde? Das Reservoir für die 1. Garde waren die Laienspielgruppe der Karolingerschule und die Mädchen der 5. und 6. Klasse, die ich dafür gewinnen konnte. Stolz waren wir auf unsere erste eigene Gardekleidung. Die Kostüme für die 2. und 3. Garde, für die Showtänze, wurden von den Müttern der Gardemädchen, den Trainerinnen und den Mädchen selbst entworfen. Unser Programm war hausgemacht, z.B. Bürgermeister Klaus Denk in der Bütt, ebenso Stadtrat Hanns Horst Hölder. Siegfried Mauser und Mausi in der Bütt, das waren noch Zeiten.
Das Amt für Öffentliche Ordnung sorgte immer dafür, dass wir ungehindert unsere fröhlichen Feste feiern konnten.
Im Lauf der Jahre gab es einen Rosenmontagsball, eine eigene Prunksitzung, Rathaussturm, Seniorenfasching. Dabei leisteten die Musiker des Orchesters ihren Beitrag. Die Programme wurden zu großen Teilen aus den eigenen Reihen bestritten.
In den 70er Jahren war ich die erste Präsidentin einer Faschingsgesellschaft. Natürlich musste eine eigene Tanzgarde her. Sportlehrerinnen übernahmen das Training; die ersten Uniformen wurden von den Eltern selbst genäht.
Allen Unkenrufen zum Trotz hatten wir es gewagt in Waiblingen die 5. Jahreszeit einzuläuten. Sie ist angenommen worden. Wie wahr!
Aus unserem Engagement heraus wuchs ein Kulturschaffen, das in Waiblingen nicht mehr wegzudenken ist:
- Veranstaltungen im Bereich Fastnacht/Karneval, Brauchtum, Guggenmusik
- Rathaussturm/Narrengericht,
- Fastnachtsumzug
- Stadtfest, Märkte
- Tanzsport-Aktivitäten / Jugendarbeit, Auftritte der Hexen, (öffentlich und privat)
Unser Narrenruf: Hie Wai – Hie Wai – Hie Wai! und der Name „Ghibellinia“ -
War schnell gefunden.
Dieser Ruf leitet sich vom Schlachtruf der Ghibellinen ab. Die Ghibellinen waren Abkömmlinge der Staufer. Sie repräsentierten die kaisertreue Partei. Ihre Gegenspieler waren die papsttreuen Guelfen gesprochen “ gwelf“ (Welfen).
Bei Auseinandersetzungen hatten die Welfen ihren Schlachtruf „Hie Welf“ (quasi: „Hier sind die Welfen“). Die Ghibellinen hatten ihren Schlachtruf „Hie Waibling“.
Der Name „Ghibellinen“ ist vom Zentrum ihrer kaiserlichen Güter „Ghibellinia“ abgeleitet und nichts anderes als der lateinische Begriff für Waiblingen. Hie Wai kommt daher von „Hie Waibling“.
Noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts durfte der Begriff „Ghibellinia“ (wie z.B. bei der Waiblinger Rudergesellschaft) nur von denjenigen benutzt werden, die auch kaisertreu waren.
Unsere Prinzessinnen haben deshalb auch den Namens-Zusatz „…von Ghibellinia“.